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pax christi

menschen machen frieden - mach mit.

Unser Name ist Programm: der Friede Christi. 

pax christi ist eine ökumenische Friedensbewegung in der katholischen Kirche. Sie verbindet Gebet und Aktion und arbeitet in der Tradition der Friedenslehre des II. Vatikanischen Konzils. 

Der pax christi Deutsche Sektion e.V. ist Mitglied des weltweiten Friedensnetzes Pax Christi International.

Entstanden ist die pax christi-Bewegung am Ende des II. Weltkrieges, als französische Christinnen und Christen ihren deutschen Schwestern und Brüdern zur Versöhnung die Hand reichten. 

» Alle Informationen zur Deutschen Sektion von pax christi

14. Internationale Friedenskonferenz: Alternativen zu militärischer Gewalt

16. Feb 2016

Internationales Forum „Frieden und Gerechtigkeit gestalten“ (12. Februar) - Bericht von Marion Wittine

Die Internationale Münchner Friedenskonferenz ist die inhaltliche Alternativveranstaltung zur Münchner Sicherheitskonferenz. Seit 2003 beschäftigt sich das Programm der Friedenskonferenz mit der Überwindung des weit verbreiteten Sicherheitsdenkens und stellt Ansätze und Wege vor, wie Frieden durch Interessensausgleich und Kooperation erreicht werden können, unter anderem durch grundlegende Umschichtung von hohen Militärausgaben zur Finanzierung von ziviler Konflikt- und Krisenbewältigung.

Die Veranstalter der Friedenskonferenz, zu denen auch der Münchner Diözesanverband der katholischen Friedensbewegung pax christi gehört, vermissen seit Jahren bei politischen Entscheidungsträgern ernsthafte Bemühungen, sich rechtzeitig mit entstehenden Krisensituationen zu befassen und auf internationaler Ebene den ausufernden Waffenhandel zu unterbinden. Auch 2016 wurden auf der Friedenskonferenz (11.-14. Februar) wieder Alternativen zu militärischer Gewalt vorgestellt werden, so auch beim Internationalen Forum „Frieden und Gerechtigkeit gestalten“ am 12. Februar im Alten Rathaus.

 

Internationales Forum „Frieden und Gerechtigkeit gestalten“

In ihrem Grußwort am Freitag Abend dankte Stadträtin Beatrix Zurek allen Helferinnen und Helfern im Namen der Stadt München ausdrücklich für ihr Engagement bei der Ankunft der großen Flüchtlingsströme insbesondere im vergangenen Herbst. Sie betonte, dass das Asylrecht keine Obergrenze kenne und Deutschland sich als Signatarstaat der Genfer Flüchtlingskonvention zum Prinzip der sog. „Nicht-Zurückweisung“ verpflichtet habe. Sie zitierte Cicero, demzufolge „der ungerechteste Frieden besser als der gerechteste Krieg“ sei.

 

Verhandlungen mit dem Islamischen Staat statt westlicher Militäreinsätze?

Erste Rednerin des Abends war die italienische Journalistin Loretta Napoleoni, die mehrere Regierungen und internationale Organisationen in Fragen der Terrorismusbekämpfung und Geldwäsche berät. Sie ist Autorin des provokativen Bestsellers „Die Rückkehr des Kalifats. Der Islamische Staat und die Neuordnung des Nahen Ostens“ (Zürich, 2015) und des Buches „Die Ökonomie des Terrors: Auf den Spuren der Dollars hinter dem Terrorismus“ (München, 2014). Ihre markante These: Der IS verfügt mehr als jede andere bewaffnete Gruppe in der Vergangenheit über die Ressourcen und die Strategien zur dauerhaften Staatenbildung. Die mittelalterliche Brutalität, mit der der „Islamische Staat“ vorgeht, und die nie gekannte mediale Selbstinszenierung, die er via die sozialen Netzwerke betreibt sind, so Napoleoni, zwei nur scheinbar widersprüchliche Gesichter einer Organisation, die sich die dramatischen Umbrüche in der Region ebenso zunutze zu machen versteht wie die technologischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts. 

In ihrem Vortrag zum Thema „Herausforderung Kalifatstaat. Ansätze für zivile Lösungen“ machte Napoleoni außerdem die Unterschiede in den Zielen der Terrororganisation Al-Qaida und des Islamischen Staats deutlich: Während für die Anhänger von Al-Qaida das Kalifat am Ende des Dschihads stehe, setzt der Islamische Staat das Kalifat taktisch gleich zu Beginn ein. Es dient der Expansion der von ihm kontrollierten Gebiete und ermöglicht die Beschaffung von Waffen und Geldern sowie die Anwerbung neuer Mitglieder. Bei seinen Eroberungszügen konzentriert sich der Islamische Staat auf Regionen mit Wasser- oder Erdölvorkommen oder fruchtbaren Ländereien, deren Verwaltung überträgt er gegen eine Pacht den Stammesältesten vor Ort. Napoleoni zufolge setzt der Islamische Staat Terrorismus nicht als Ziel, sondern als Mittel zum Zweck der Nationsbildung ein. Die Ideologie eines großen – wenn nicht gar globalen - Islamischen Staates sei auch deshalb für junge Menschen attraktiv, weil diese darin die Chance sehen, „Gründerväter und -mütter“ einer neuen Nation zu sein, der Einsatz barbarischer Gewalt werde – in einer ohnehin von Gewalt geprägten Welt – hierfür in Kauf genommen.

Napoleoni setzt sich dafür ein, Verhandlungen mit dem Islamischen Staat nicht von vornherein eine Absage zu erteilen. Wenn das vorrangige Ziel der religiösen Extremisten tatsächlich darin besteht, einen eigenen Staat zu festigen, ließen sich nur auf dem Verhandlungsweg Zugeständnisse erzielen. Dass Verhandlungen nicht völlig abwegig sind, beweisen – wie Napoleoni bemerkte – die bisherigen Verhandlungen mehrerer Staaten mit dem IS zur Freilassung von Geiseln. Europa solle die Führungsrolle bei den Verhandlungen mit dem IS übernehmen, so Napoleonis dringender Appell an die Staatengemeinschaft. Militärische Interventionen des Westens hingegen spielten dem Islamischen Staat im Hinblick auf die Unterstützung in der lokalen Bevölkerung, die Rekrutierung neuer Mitglieder und die Verkündigung ihrer anti-imperialen Botschaft gar in die Hände.

 

 

Können die Religionen noch einen Beitrag zum Frieden leisten?

Dr. Markus A. Weingardt, Bereichsleiter „Frieden“ bei der von Hans Küng gegründeten Stiftung Weltethos in Tübingen sprach als zweiter Hauptredner des Abends über „Religion und Frieden“ und nannte Beispiele für Friedensarbeit aus religiöser Motivation. Der Politikwissenschaftler ist Friedens- und Konfliktforscher mit den Schwerpunkten Religion und Pazifismus, sowie Herausgeber der Schriftenreihe „Religion - Konflikt - Frieden“ (Nomos-Verlag). Seinen Vortrag leitete er mit den Worten des Soziologen Ulrich Beck ein: „Die Gesundheitsminister warnen: Religion tötet. Religion darf an Jugendliche unter 18 Jahren nicht weitergegeben werden“. Die Medien suggerierten oft, dass Religion gefährlich sei. Tatsächlich seien Krieg, Terror und Gewalt viel zu häufig religiös motiviert.

Weingardt unterstrich, dass bei Friedensprozessen aber oftmals religiöse Akteure auch eine wichtige und konstruktive Rolle spiel(t)en und nannte prominente und weniger bekannte Beispiele für Friedensarbeit aus religiöser Motivation, darunter die „Helden gewaltloser Konfliktbearbeitung“ Mahatma Gandhi, Martin Luther King ebenso wie der Dalai Lama. Weingardt betonte, dass es wichtig sei, anzuerkennen, dass den Religionen nicht nur ein Gewalt-, sondern auch ein Friedenspotenzial innewohnt und diese maßgebliche Beiträge zur Überwindung von Gewalt leisten können. Durch Sach- und Fachkompetenz, Glaubwürdigkeit sowie Verbundenheit und Nähe zu den Menschen im Konflikt genießen Religionen oftmals einen Vertrauensvorschuss, der wiederum Handlungs- und Verhandlungsspielräume in Konflikten eröffnet.

Weingardt appellierte in diesem Zusammenhang an die Religionen, ihre eigenen Friedenskompetenzen zu erkennen, diese im Austausch mit anderen gesellschaftlichen Akteuren weiterzuentwickeln und in Friedensprozesse aktiv einzubringen. Die Politik wiederum sei aufgerufen, religiös hilfreiche Akteure zu identifizieren, diese zu stärken und in Friedensprozesse einzubeziehen.

 

Überwindung von Feindschaft durch Begegnung

Die dritte Hauptrednerin des Abends, die gebürtige Israelin Nirit Sommerfeld, ist freiberufliche Schauspielerin, Sängerin und politische Aktivistin, die sich für einen differenzierten Blick auf die aktuelle Situation im Nahen und Mittleren Osten einsetzt. Im Alter von acht Jahren kam sie als Tochter eines deutschen Juden nach Deutschland. Als Erwachsene wollte sie in ihre „Heimat“ Israel zurückkehren und lebte dort von 2007 bis 2009 mit ihrer Familie, kam aber anschließend wieder nach Deutschland, da das Land ganz anders war, als sie als Kind in Erinnerung hatte. Sie schloss sich im Hinblick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt Napeleonis Appell an, dass es notwendig sei mit der jeweils „anderen“ Seite zu sprechen und verwies darauf, dass dies die größte Kraft der unzähligen - es sind weit über 1.000 - Nicht-Regierungs-Organisationen in Israel und Palästina sei. Diese NGOs werden vor allem von der EU und den USA gefördert, viele auch direkt von Deutschland. Die Organisationen sehen ihre Aufgabe nicht in erster Linie darin, Frieden zu schaffen, sondern sie wollen aufklären, aufrütteln, dokumentieren und gemeinsame Wege suchen. „Versöhnungsprojekte gibt es in Israel/Palästina in Hülle und Fülle. Auf beiden Seiten gibt es sehr engagierte Menschen. Mauer und Politik verhindern jedoch bewusst das Zusammenkommen der Menschen. Mein Anliegen ist zunächst die Beendigung der Besatzung“, so Nirit Sommerfeld, die dann die konkrete Arbeit einiger NGOs in Israel und Palästina vorstellte, darunter u. a.  „Breaking the Silence“ (eine Organisation ehemaliger israelischer Soldaten, die in den besetzten Gebieten waren; gegen diese findet derzeit eine Hetzjagd wegen „anti-israelischer Betätigung“ statt), „Machsom Watch“ (israelische Frauen, die als Beobachterinnen an den Checkpoints stehen und mit Fotos und Videos die Behandlung der Palästinenser durch die israelischen Grenzkontrolleure dokumentieren), das israelische Forschungszentrum „Whoprofits.org“, das die Aufdeckung kommerziellen Interessen von israelischen und internationalen Unternehmen durch die anhaltende Besatzung der palästinensischen Gebiete zum Ziel hat, die israelische Organisation „Zochrot“, die sich für die Anerkennung der sog. „Nakba“ von 1947/48 einsetzt, das Israelische Komitee gegen Hauszerstörungen (ICAHD),  das palästinensische Zentrum für Menschenrechte, das 1995 von Rechtsanwalt Raji Sourani zur Verteidigung der Menschenrechte der Palästinenser nach internationalen Standards gegründet wurde sowie  den „Holy Land Trust“, der sich für den gewaltlosen Widerstand der Palästinenser einsetzt. Sommerfeld ist überzeugt: „Da, wo sich Israelis und Palästinenser als Menschen begegnen, ist Feindschaft nicht mehr möglich“.

 

 

Demo gegen die Sicherheitskonferenz
Über 3500 Personen nahmen am Samstagmittag auch wieder an der Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz teil. Neben einem Demonstrationszug vom Stachus zum Marienplatz, der den Bayerischen Hof weiträumig umging, gab es dieses Mal auch eine Menschenkette mitten durch die Innenstadt Münchens. Auch in diesem Jahr blieb dieser Protest weitgehend ohne Zwischenfälle. Pax christi Mitglieder aus Saarbrücken, Ravensburg, Stuttgart, Augsburg und Regensburg nahmen neben den Münchnern an der Demo teil.

 

Manifest „Schutz der Menschenrechte durch Prävention“

Das Team der Internationalen Münchner Friedenskonferenz hat ein Manifest „Schutz der Menschenrechte durch Prävention“ verfasst, das am 13. Februar bei einem Expertenhearing vorgestellt und diskutiert wurde (http://www.friedenskonferenz.info/pdfs/Manifest_Schutzverantwortung_deutsch-4S.pdf).

Den Abschluss der Konferenz bildete ein Friedensgebet der Religionen am 14.2. in St. Anna.